GEORGE ORWELL, 1984

Unwillkürlich durchzuckte ihn ein furchtbarer Schrecken. Das war im Grunde törricht, denn das Niederschreiben gerade dieser Worte war nicht gefährlicher als der erste Schritt, ein Tagebuch anzulegen; und doch fühlte er sich einen Augenblick lang versucht, die beschriebenen Seiten herauszureißen und die ganze Sache aufzugeben. Er tat es jedoch nicht, weil er wußte, daß es zwecklos war. Ob er nieder mit dem Großen Bruder hinschrieb oder nicht, machte keinen Unterschied. Ob er mit dem Tagebuch fortfuhr oder nicht, machte keinen Unterschied. Die Gedankenpolizei würde ihn trotzdem erwischen. Er hatte - auch wenn er nie die Feder angesetzt hätte - das Kapitalverbrechen begangen, das alle anderen in sich einschloß. Gedankenverbrechen nannten sie es. Gedankenverbrechenkonnte man auf die Dauer nicht geheimhalten. Man konnte vielleicht eine Weile oder sogar Jahre lang, schlaue Winkelzüge machen, aber früher oder später kamen sie einem doch darauf.

Photo: JENNY HOLZER, 1989, Installation aus der Serie "Catchfire"